Aus dem "Euskirchener Wochenspiegel" vom 10.04.2002:

»Frau Höhn sollte sich bei vielen Hundehaltern entschuldigen«

Die Landesregierung (NRW) plant ein »Hundegesetz«: Was bedeutet das für Hundehalter? Was geschieht mit den sogenannten »Kampfhunden«? Der Wochenspiegel fragte nach

KREIS EUSKIRCHEN (KHE).
Wer hat nicht die schrecklichen Bilder aus dem Fernsehen in Erinnerung, als in Hamburg ein kleiner Junge Opfer einer Hundeattacke wurde. Wenig später gab es in Erftstadt-Friesheim einen ähnlichen Vorfall mit einem Bullterrier.

Nur dem beherzten Eingreifen einer Nachbarin war es damals zu verdanken, dass Schlimmeres verhindert wurde. Die Politik geriet in Hysterie, die Öffentlichkeit fühlte sich bedroht und forderte mit Nachdruck mehr Schutz vor sogenannten »gefährlichen Hunden«. Dem wurde durch die Landeshundeverordnung NRW Rechnung getragen, die am 30.Juni 2000 in Kraft trat. Seither rühmen sich die Politiker, »die Sache im Griff« zu haben. Oder doch nicht?

Klischeehaft

»Zumindest Frau Höhn sollte sich bei vielen Tausenden Hundehaltern dafür entschuldigen, dass sie viele hundehaltende Familien in NRW diskriminiert und unschuldig an den Pranger stellt« , meint Reiner Bauer vom Tierschutzverein in Mechemich. »Man nimmt in Kauf, dass Hundefreunde und Hundefeinde in klischeehafte Schubladen gesteckt werden.« Auf der Anhangliste des Landes NRW werden 42 als gefährlich eingestufte Hunderassen aufgeführt. Darunter auch so Exoten wie zum Beispiel »Liptak«, die in Deutschland gar nicht existent sind. Nicht erwähnt ist der Deutsche Schäferhund, trotz der diskussionswürdigen Zuchtmerkmale wie ausgeprägter Wehrtrieb, Schutz und Härte. Für Reiner Bauer rennt die Politik aber den tatsächlichen Gegebenheiten hinterher: »Wie sonst ist es zu verstehen, dass immer noch die These vertreten wird, es gäbe gefährliche Hunderassen.

100.000 € Strafe!

Wobei es eigentlich erwiesen ist, dass der Mensch das Übel ist und nicht das Tier.« Seiner Ansicht nach, ist die Landeshundeverordnung deshalb fachlich völlig verfehlt. Für Bauer sind in erster Linie skrupellose Züchter, Importeure und Hundehalter für das Gefahrenpotenzial verantwortlich, das einzelne Tiere an den Tag legen und nicht die abertausenden von »Normalhundehaltern«, wie es Höhn & Genossen der Öffentlichkeit glauben machen wollen. NRW - Umweltministerin Bärbel Höhn legte jetzt einen neuen Gesetzesentwurf vor, das Hundebesitzer noch mehr in die Pflicht nehmen soll  und bei Verstößen wesentlich höhere Strafen vorsieht, als dies bisher der Fall war. Der Strafrahmen sieht eine Höchststrafe von bis zu 100.000 Euro vor, zur Zeit liegt die Höchststrafe bei 1022 Euro. Wer künftig zum Beispiel mit einem Pitbull ohne Maulkorb und Leine erwischt wird, zahlt 250 Euro Strafe. 

Bei einem 20/40 Hund sind es immerhin noch rund 50 Euro. Statt 42 gelisteter Hunderassen gibt es nach dem Willen des Clement-Kabinetts künftig aber nur noch höchstens 14. Für den Umgang mit gefährlichen Hunden stellt das geplante Gesetz profunde Anforderungen an den Halter: Volljährigkeit, Sachkundebescheinigung des Amtstierarztes, polizeiliches Führungszeugnis, Kennzeichnung per Mikrochip, Nachweis der ausbruchsicheren Unterbringung sowie eine Haftpflichtversicherung. Außerdem besteht ausnahmslos Anlein- und Maulkorbpflicht. Unabhängig von der Rasse unterliegen die sogenannten "großen Hunde" mit einer Widerristhöhe von 40 cm und einem Gewicht von über 20 kg auch nach dem neuen Gesetz weiterhin der sogenannten 20/40-Regelung. Dazu gehören u.a. die Anzeigepflicht, der Sachkundenachweis, Anleinpflicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen, Haftpflichtversicherung und Kennzeichnung per Mikrochip. Nicht mehr erforderlich ist ein Führungszeugnis. Für alle Rassen gilt das generelle Verbot von Agressionsausbildung, -zucht und -kreuzung.

Also nichts Neues! Sondern die alte LHV-NRW als Gesetz verpackt, nur halt mit einer gekürzten irrsinnigen Rassenliste und drastischeren Geldstrafen. Mitnichten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor gefährlichen Hunden, meint auch Bauer. Freilich vertritt auch er den Standpunkt, dass der Mensch geschützt werden muss, ebenso aber der Hund vor dem Menschen. »Deshalb muss ein Hundegesetz her, welches auf den Säulen Ausbildung, Zucht, Haltung und Rechtsnormen ruht.«

Auch wenn es im Kreis Euskirchen bislang keine extremen Vorfälle mit Kampfhunden gegeben hat, sind die hiesigen Kommunen verpflichtet die Düsseldorfer Beschlüsse umzusetzen und die Einhaltung zu kontrollieren. Die verantwortlichen Administrationen klagen aber zunehmend über zu wenig Personal und knappe Finanzbudgets. 


(Weiterer Artikel der gleichen Ausgabe:)

Landeshundeverordnung wird zum Gesetz / Kritik des Tierschutzvereins: »Nicht umsetzbar«
»Es gibt keine bösartigen Hunde, sie werden von gewissenlosen Menschen zur Bestie gemacht!«

Nach dem schrecklichen Vorfall in Hamburg im Juni 2000, bei dem der kleine Volcan durch Bisse eines abgerichteten "Kampfhundes" zu Tode kam, wurden Politiker im ganzen Land tätig - allerdings in einer fast schon kopflosen Art und Weise.

EUSKIRCHEN (SK). Teilweise wurden über Nacht Eilverordnungen erstellt, die so nicht realisierbar sind.

»Wenn ein Gesetz in die Welt gesetzt wird, ob es sinnvoll ist oder nicht, für mich ist es nicht sinnvoll, muss es auch umsetzbar sein«, sagt Reiner Bauer, l. Vorsitzende des Tierschutzvereins Mechernich e.V. über die geplante Änderung der Landeshundeverordnung in ein Landeshundegesetz.
»Der Mensch ist das Übel, gewissenlose Menschen, der Mensch versaut diese Tiere«, sagt er weiter. Oft werden diese »Schnellschüsse« von Politikern entworfen, ohne dabei die Folgen zu bedenken.

Hundehasser

Natürlich muss der Mensch vor Tieren geschützt werden, welche von skrupellosen Haltern zu Waffen gemacht werden. Aber nicht mit der Konsequenz, dass sich die Halter verschiedenster Hunderassen, insbesondere solcher, die zu Unrecht die Titulierung als "Kampfhund" erhalten haben, mit ihrem Tier nicht mehr auf die Straße trauen können, da sie dort Anfeindungen durch Hundhasser ausgeliefert sind.

Der Tod des kleinen Volcan hätte wahrscheinlich vermieden werden können. Der Halter des Hundes war mehrfach wegen zahlreicher Delikte (Körperverletzung, Raubüberfälle) aktenkundig geworden, ignorierte bis zuletzt Auflagen, den Hund anzuleinen und nur mit Maulkorb laufen zu lassen.

Alle Hundebesitzer, Tierschutzvereine etc. bedauern diesen und andere Vorfälle dieser Art zutiefst. Auch plädieren alle dafür, dass etwas getan werden muss. Doch das Problem liegt auf der anderen Seite der Leine. »Es gibt keine bösartigen Hunde, sie werden von gewissenlosen Menschen zur Bestie gemacht«, sagt Reiner Bauer. Fragt man bei den Ordnungsämtern nach, sind es nicht einmal diese Hunderassen, die als besonders gefährlich gelten, die in Beißvorfälle verwickelt sind, sondern andere. Doch diese Einzelfälle werden zum Argument der Pauschalisierung gemacht.

Angst und Hass sind Verwandte. Respekt vor jedem Tier sollte auf jeden Fall da sein, sie ist die Ausbildung für soziales Leben. Es gibt keine »kinderlieben Welpen« - es gibt keine angeborene Kinderliebe bei Hunden, Hunde müssen dies lernen wie andere Lebewesen auch. Auch die Rasse »Kampfhund« hat es nie gegeben. Man muss auf die Zucht des Hundes achten, auf dessen Sozialisierung und besonders auf seine Erziehung. »Jeder Hund ist das Produkt seiner seiner Erziehung!«, erklärt Reiner Bauer.

 

Mehr zum Thema und der aktuelle Stand des Gesetzentwurfs findet man auf der Homepage von "Mensch-Tier-Werte e.V."

 


http://www.gregor-jonas.de